Sonntag, 7. Juli 2013

Überraschende Wende: Kein Asylbewerberheim in Geißing

Asylbewerber lehnen Angebot einer Unterbringung in intoleranter Nachbarschaft ab

Traunstein (kas) Ein Informationsabend von Stadt und Landkreis Traunstein ist in der Regel eine kaum beachtete, trockene Angelegenheit. Geht es allerdings um die Unterbringung von teils andersfarbigen Ausländern in unmittelbarer Nachbarschaft, platzt der Saal aus allen Nähten, wie zuletzt im Pfarrsaal Heilig Kreuz in Traunstein. Laut einem Vertreter der Asylbewerber ist allerdings eine Unterbringung in Geißing vom Tisch. Grund sei eine inakzeptabel intolerante Nachbarschaft.
Kaum wurde unter den derzeit in Inzell lebenden Asylbewerbern bekannt, dass sie im ehemaligen Post-Gebäude in Traunstein untergebracht werden sollen, machte sich unter ihnen enorme Unruhe breit. Gerüchte gingen um, dass in Geißing bereits Stimmung gegen sie gemacht wurde. In anonymen Flugblättern sei die Rede von weit über hundert unterzubringenden Asylbewerben gewesen, welche fortan in den getrimmten Geißinger Vorgärten herumlungern würden. Nicht akzeptabel war für die Asylbewerber neben der ausländerfeindlichen Umgebung in Geißing zudem die Unterbringung der Montessorischule im selben Gebäude. Der Sprecher der Flüchtlingshilfe e.V.: "Wir befürchten, dass die frechen Montessorischüler den Asylbewerbern einen völlig falschen Eindruck von Deutschland vermitteln könnten und viele  überstürzt lieber wieder in ihre Heimatländer zurück reisen möchten."
Die Geißinger Nachbarn ihrerseits argumentierten, dass sie sich schon auf das dort ursprünglich geplante Fitnesstudio gefreut hatten. Ein zusätzliches Fitnesstudio sei in Traunstein auch dringend notwendig, da viel zu viele Rentner schwitzend in öffentlichen Parks ihren Übungen nachgingen, was der Bevölkerung nur schwer zuzumuten sei. Es hagelte in der Folge anonyme Beschimpfungen und ein Shitstorm im Internet gegen das geplante Asylbewerberheim. Die Traunsteiner Anwohner schlugen vor, die Asylbewerber mittelständisch, irgendwo auf dem Land unterzubringen. Am besten an einem Ort, wo eine tolerante Kultur gegenüber Ausländern herrsche und nicht nach Geißing. Ein Vertreter der Gemeinde Kirchanschöring erhielt umgehend tosenden Applaus, als er von sich aus anbot, Asylbewerber in der Ortsmitte aufzunehmen.
Ein Sprecher der Asylbewerber, ein ehemaliger Deutschprofessor an der Universität in Kabul, sagte: "Wir sind traurig, dass überhaupt diskutiert wurde, uns in Traunstein unterzubringen. Schon Ludwig Thoma und Thomas Bernhard hatten das intolerante Spießbürgertums Traunstein entlarvt und angeprangert."
In der folgenden Diskussion zeigten sich verhärtete Fronten zwischen den Asylbewerbern und den Traunsteinern. "Ich hoffe, dass unser Landkreis nicht so braun ist, wie es hier geschildert wird", sagte einer der Diskutanten. Stellvertretend hier noch das Schlusswort eines Asylbewerbers aus dem Gazastreifen: "Die Wut und das Unverständnis, die uns entgegengeschlagen sind, haben mich völlig überrascht. So habe ich das noch nie erlebt."

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